Hallo Du Liebe,
auf der Arbeit ist seit der Fallkonferenz letzte Woche Entlastung angesagt. Flo zeigt sich wieder mehr und wir reden sogar miteinander. Vertraut. Ich frage ihn gestern bei einem gemeinsamen Gang über den Hof wie es ihm geht und melde ihm zurück, dass er ziemlich fertig aussieht. Er bestätigt das sofort. Es ist wie ein Fass, dass ich mit meiner Frage öffne. Er erzählt von sich, Details aus seinem Alltag. Die Urlaubsvertretung käme ihm dieses Jahr schwerer, belastender vor. Vielleicht auch, weil "Laura" letztes Jahr noch nicht wieder arbeiten war. Nun müsse er pünktlich zu Hause sein, damit er die Kinder abholen könne. Die neuen Schulen der Kinder, das Haus usw. Er sei gerade nicht so "resilient", benutzt tatsächlich dieses Wort. Er ist auch bzgl. seiner Rückenschmerzen einsichtig, dass diese psychosomatisch sind. Er wird bei dem als tolles "Familienereignis" geplanten Drachenbootrennen nicht mitrudern. Zieht die Notbremse. Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Ich habe mir das ja gut überlegt, ob ich ihn nach seinem Zustand frage und mich als Therapeutin gebrauchen lasse. Obwohl ... Therapeutin? Ich bin bei meinen Recherchen nach den "Dont´s" für unser Seminar auf einen Spruch gestoßen:
"If you´re good at something,
never do it for free."
sagt kein geringerer als der Joker. Kann ich so selbstlos sein und ihn sich bei mir entlasten lassen und keine Gegenleistung, keine Gegenliebe erwarten? Ich glaube ich bin jetzt soweit, dass ich das ertragen kann. Dass ich nicht erwarte, dass er mich dafür liebt, auch wenn es ihm doch sehr angenehm zu sein scheint. Es wirkt eher wie ein vertrautes, freundschaftliches Verhältnis, was sofort - auch nach langen Ruhephasen - wieder da ist. Als unser gemeinsamer Weg beendet ist, bleiben wir auf einem einsamen Flur hängen und reden weiter. Jetzt will ich auch mal und erzähle ihm aus meinem Leben. Vom letzten Freitag, dem Herzinfarkt-Verdacht bei meinem Vater, von Kai, vom Grundstückskauf, vom Notartermin. Das ist dann wohl die Resonanz, die ich erwarte: dass ich ihm ebenfalls belastende Dinge erzählen kann. Nicht als Therapeutin, sondern als freundschaftliche Kollegin / kollegiale Freundin. Am Ende des Arbeitstages schicke ich ihm völlig aus einer unterstützenden Laune heraus eine kleine mail namens "Surfen für die Reselienz ... und einen "starken" Rücken" mit zwei Quotes:
"You can´t stop the waves,
but you can learn to surf."
und
"You learn more from failure than from success.
Don´t let it stop you. Failure builds character".
Einfach, weil ich dachte, das könnte er jetzt gebrauchen. Er antwortet ja auf so was bekanntlich nicht und so habe ich das auch nicht erwartet (ok, ganz kurz beim Öffnen des mailprogramms heute morgen schon). Doch dann treffe ich ihn heute morgen auf der Station. Er verwickelt mich in ein Gespräch und ich setze mich zu ihm. Wir klären die aktuellen Fälle, ich notiere mir etwas. Dann ist Stille. Ich denke nicht an die mail. Er fängt ganz allein davon an: "Danke für Deine resilienzfördernden Bildchen." sagt er gerührt. Ja, bitte, gerne. Kollegiale Freundin halt. Ich gebe mir größte Mühe, nicht zu flirten, weil ich weiß, dass ich das schon tausendmal hatte und dass das nichts bringt. Hier kann ich noch standhalten und verabschiede mich dann, denn die Arbeit ruft.
Doch später treffe ich ihn wieder beim gemeinsamen Kaffee mit anderen Mitarbeitern. Die Stimmung ist aufgelockert. Es geht um die Technisierung der Welt und was man bei Stromausfall tun könnte. Ich versuche den Gedanken aus meinem Gehirn zu verdrängen, was ich mit Flo bei Stromausfall machen würde, versuche an die mehligen Küsse aus meinem Traum zu denken. Bääh! Jemand anderes schlägt vor, bei Stromausfall Spiele zu spielen. Sofort anzügliches Gelächter, dass Flo zu retten versucht: "Sie meinen Brettspiele, oder?" Ich darauf: "Man kann es auch auf nem Brett machen." und habe die Lacher und Flo´s Blick auf meiner Seite. Scheiße, doch wieder geflirtet, kollegeiale Freundin. Das nächste Thema ist das Geschlecht von Engeln (schon interessant, was bei uns so diskutiert wird, oder). Dr. Radio meint, dass die barocken Darstellungen von Engeln auf kein Geschlecht hindeuten. Ich meine darauf "Also, das Engel." Flo meint "Wie bei Kindern im Allgemeinen." Hääh? Wenn ich daran denke wie Kai mit seinem Penis spielt, kann ich ihm da nicht zustimmen. Auf die Äußerung hin bekommt Flo von der Allgemeinheit eins auf den Deckel, denn auch Kinder sind nicht geschlechtslos. Eine Schwester meint "Na, da würden sich aber ihre Söhne beschweren." Er gibt zu, dass das bei Jungen ja schon auf dem Ultraschallbild zu sehen sei, dass sie ständig die Hand am Gemächt hätten. Und ich darauf: "Ja, das ändert sich ja auch nicht, wenn sie draußen sind." Als ich den Satz begann, meinte ich noch Kai. Als ich ihn beende, will ich flirten. Ich funkle Flo an und er mich. Er stimmt mir grinsend zu und sonnt sich in seiner ganzen Männlichkeit unter all den Frauen hier. Mir wirds zu heiß. Ich wollte doch nur ein bisschen vertraute Kollegialität. Ist denn das nicht möglich? Muss es sofort außer Rand und Band geraten? Ich weiß doch, dass Flirterei wieder diese unnötige Hoffnung und diese blöde Sehnsucht verursachen. Flo ist jetzt erst so richtig angestachelt. Erzählt mir völlig jugendfrei und charmant Witze von einer Klientin, die er mir nächste Woche vorstellen will. Wir lachen und das ist es wahrscheinlich, was er bei mir verursachen will. Mich zum Lachen bringen. Das ist seine Form der Reselienzförderung. Seine Form von kollegialer Freundschaft. Es ist kein sexuelles Verlangen oder innige Zuneigung. Ich darf das nicht verwechseln. Aber genießen kann ich´s, genießen, denn es ist so so schön.
Liebe Grüße von Eva
Liebe Grüße von Eva
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