Freitag, 28. Februar 2014

Im OP mit Mr. Nice Guy

Liebe Mathilda,
traumhaft und traumaregulierend! 
Ich habs getan. 
Ich war im OP mit ihm und bin nicht umgefallen. 
Nicht wegen der OP und nicht wegen ihm.
Ich weiß gar nicht, ob ich das schon mal erwähnt habe, aber ich bin mit Anfang 20 mal ohnmächtig geworden als ich in der Wartezeit auf mein Studium ein freiwilliges "Vierteljahr" in einem Pflegeheim gemacht habe und eine große Wunde gesehen hatte. Bis dahin hatte ich mir wirklich sehr interessiert immer alle Wunden und Verletzungen angeschaut, aber damals hatte ich dann dieses Erlebnis. Eben schaute ich noch interessiert in die Wunde und bald darauf fand ich mich auf dem Fußboden wieder. Praktisch keine Vorwarnzeichen und eine Amnesie meines Abgangs. Und dann habe ich 16 Jahre lang gedacht, dass ich das gar nicht kann. Ich habe mich stets vom OP distanziert, obwohl ich ja eigentlich Interesse daran hatte. Und weil ich Schiß hatte wieder umzufallen. Schön vermieden und nie wieder ausprobiert. Und immer die Frage: Kann ich das vielleicht doch?
Nun bot sich die Chance, das doch endlich mal anzugehen. Flo bot ja letzte Woche an, dass ich - wir - die Therapeuten - mal mit in den OP kommen können. Wir überlegten zusammen etwas hin und her und ich entschloss mich tatsächlich mitzugehen. Meine Zusage hat Flo im ersten Moment vielleicht etwas geschockt. Ich weiß nicht, vielleicht fühlte er sich ein bisschen beobachtet, wobei er mir während der Operation ja hätte sonstwas erklären können, ich hätte geglaubt, dass das genau so sein muss. Er wusste auch von meinem Ohnmachtserlebnis mit 20 Jahren und ich hatte auch nochmal kommuniziert, dass mir das nicht leicht falle, ich es aber angehen möchte. Traumatherapie mit Dr. Mollis. Heute: "Konfrontation von und mit Flo".
Schon die Vorbereitungen zu einer OP sind aufregend. Nicht nur für den, der operiert wird. Auch für eine Therapeutin, die diese Räume erstmals beschreitet. Wie komme ich überhaupt da rein? Ich muss durch eine Schleuse und mich komplett umkleiden. Eine Assistenzärztin nimmt mich mit, zeigt mir, welche Hosen, Schuhe und Mützen ich mir anlegen soll. Ich bin unsteril, darf nichts anfassen als ich ihr anschließend durch einen Gang und in den OP 5 folge. Als ich hereinkomme, steht Flo bereits am Tisch und mit seinem Anblick fühle ich mich gleich etwas beruhigter.

Eine 75jährige Frau liegt auf dem Tisch und hat mit dem OP-Team eine ca. zweistündige Operation zu absolvieren. Ich hatte die ganze Zeit nicht mal einen Anflug von Mulmigkeit oder Übelkeit. Es half mir, mich von der Patientin zu distanzieren. Es hat schon auch psychologische Gründe, warum man den Körper unter den ganzen Tüchern nicht mehr erkennt. Wenn mir das Geschneide zu heftig wird, schaue ich einfach auf Flo´s Nacken - zum Anschmachten und als blutdruckregulierende Maßnahme hervorragend geeignet. Er trägt ein weißes T-Shirt unter seinem blauen OP-Kassak und sieht ungeheuer sexy aus in der OP-Kleidung und mit Häubchen :-) Ich fühle mich in dem ungewohnten Blau und mit Haube und Mundschutz auch sehr op-fähig. Er erklärt mir viel. Ich frage viel. Augen sind ja trotzdem frei und können sich begucken. Das Operieren ist schon sehr ... handwerklich, trotzdem respektvoll. Sehr eindrücklich. Es wird viel Mühe aufs Zusammennähen verwendet, damit die Narbe "schön" wird. Bei aller Routine wirkt sein Arbeiten sehr respektvoll. Wie das wohl ohne Therapeutin im OP zugeht? Er ruftf noch während die Patientin erwacht ihren Mann an, um ihm zu sagen, dass alles gut verlaufen ist. Dann wird die Operierte ohne jemals angehoben worden zu sein auf einen fahrbaren Untersatz gebracht und aus dem OP geschoben. Technik die begeistert. Alle gehen hinter der fahrenden Patientin her. Wie eine Art Prozession. Jetzt wird sie auf einer Art Förderband in ihr eigenes Bett verfrachtet. Und Flo holt ihre Bettdecke und ihr Kissen und legt es ihr unter den Kopf. Ein Arzt mit Herz. Ein Traum von einem Arzt. Ja, deswegen habe ich mich in das Weichei verliebt! Jetzt können wir auch endlich diesen Mundschutz abnehmen. Ich bedanke mich herzlich bei ihm. Meine Erleichterung darüber, dass ich nicht aus den Latschen gekippt bin, ist spürbar. Und er ist sichtlich erfreut, dass er alles so toll gemacht hat. Ich muss es nochmal erwähnen, er sieht so sexy aus wie er da so den Flur entlangflitzt, über dem einen Ohr noch den Mundschutz hängend. Meine Güte, welche phylogenetischen Altlasten werden da wohl bei mir bedient? Ich bin sehr positiv aufgeladen. Doppelplus für diesen Tag.
Seufzende Grüße von Eva

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