Freitag, 28. Februar 2014

Im OP mit Mr. Nice Guy

Liebe Mathilda,
traumhaft und traumaregulierend! 
Ich habs getan. 
Ich war im OP mit ihm und bin nicht umgefallen. 
Nicht wegen der OP und nicht wegen ihm.
Ich weiß gar nicht, ob ich das schon mal erwähnt habe, aber ich bin mit Anfang 20 mal ohnmächtig geworden als ich in der Wartezeit auf mein Studium ein freiwilliges "Vierteljahr" in einem Pflegeheim gemacht habe und eine große Wunde gesehen hatte. Bis dahin hatte ich mir wirklich sehr interessiert immer alle Wunden und Verletzungen angeschaut, aber damals hatte ich dann dieses Erlebnis. Eben schaute ich noch interessiert in die Wunde und bald darauf fand ich mich auf dem Fußboden wieder. Praktisch keine Vorwarnzeichen und eine Amnesie meines Abgangs. Und dann habe ich 16 Jahre lang gedacht, dass ich das gar nicht kann. Ich habe mich stets vom OP distanziert, obwohl ich ja eigentlich Interesse daran hatte. Und weil ich Schiß hatte wieder umzufallen. Schön vermieden und nie wieder ausprobiert. Und immer die Frage: Kann ich das vielleicht doch?
Nun bot sich die Chance, das doch endlich mal anzugehen. Flo bot ja letzte Woche an, dass ich - wir - die Therapeuten - mal mit in den OP kommen können. Wir überlegten zusammen etwas hin und her und ich entschloss mich tatsächlich mitzugehen. Meine Zusage hat Flo im ersten Moment vielleicht etwas geschockt. Ich weiß nicht, vielleicht fühlte er sich ein bisschen beobachtet, wobei er mir während der Operation ja hätte sonstwas erklären können, ich hätte geglaubt, dass das genau so sein muss. Er wusste auch von meinem Ohnmachtserlebnis mit 20 Jahren und ich hatte auch nochmal kommuniziert, dass mir das nicht leicht falle, ich es aber angehen möchte. Traumatherapie mit Dr. Mollis. Heute: "Konfrontation von und mit Flo".
Schon die Vorbereitungen zu einer OP sind aufregend. Nicht nur für den, der operiert wird. Auch für eine Therapeutin, die diese Räume erstmals beschreitet. Wie komme ich überhaupt da rein? Ich muss durch eine Schleuse und mich komplett umkleiden. Eine Assistenzärztin nimmt mich mit, zeigt mir, welche Hosen, Schuhe und Mützen ich mir anlegen soll. Ich bin unsteril, darf nichts anfassen als ich ihr anschließend durch einen Gang und in den OP 5 folge. Als ich hereinkomme, steht Flo bereits am Tisch und mit seinem Anblick fühle ich mich gleich etwas beruhigter.

Eine 75jährige Frau liegt auf dem Tisch und hat mit dem OP-Team eine ca. zweistündige Operation zu absolvieren. Ich hatte die ganze Zeit nicht mal einen Anflug von Mulmigkeit oder Übelkeit. Es half mir, mich von der Patientin zu distanzieren. Es hat schon auch psychologische Gründe, warum man den Körper unter den ganzen Tüchern nicht mehr erkennt. Wenn mir das Geschneide zu heftig wird, schaue ich einfach auf Flo´s Nacken - zum Anschmachten und als blutdruckregulierende Maßnahme hervorragend geeignet. Er trägt ein weißes T-Shirt unter seinem blauen OP-Kassak und sieht ungeheuer sexy aus in der OP-Kleidung und mit Häubchen :-) Ich fühle mich in dem ungewohnten Blau und mit Haube und Mundschutz auch sehr op-fähig. Er erklärt mir viel. Ich frage viel. Augen sind ja trotzdem frei und können sich begucken. Das Operieren ist schon sehr ... handwerklich, trotzdem respektvoll. Sehr eindrücklich. Es wird viel Mühe aufs Zusammennähen verwendet, damit die Narbe "schön" wird. Bei aller Routine wirkt sein Arbeiten sehr respektvoll. Wie das wohl ohne Therapeutin im OP zugeht? Er ruftf noch während die Patientin erwacht ihren Mann an, um ihm zu sagen, dass alles gut verlaufen ist. Dann wird die Operierte ohne jemals angehoben worden zu sein auf einen fahrbaren Untersatz gebracht und aus dem OP geschoben. Technik die begeistert. Alle gehen hinter der fahrenden Patientin her. Wie eine Art Prozession. Jetzt wird sie auf einer Art Förderband in ihr eigenes Bett verfrachtet. Und Flo holt ihre Bettdecke und ihr Kissen und legt es ihr unter den Kopf. Ein Arzt mit Herz. Ein Traum von einem Arzt. Ja, deswegen habe ich mich in das Weichei verliebt! Jetzt können wir auch endlich diesen Mundschutz abnehmen. Ich bedanke mich herzlich bei ihm. Meine Erleichterung darüber, dass ich nicht aus den Latschen gekippt bin, ist spürbar. Und er ist sichtlich erfreut, dass er alles so toll gemacht hat. Ich muss es nochmal erwähnen, er sieht so sexy aus wie er da so den Flur entlangflitzt, über dem einen Ohr noch den Mundschutz hängend. Meine Güte, welche phylogenetischen Altlasten werden da wohl bei mir bedient? Ich bin sehr positiv aufgeladen. Doppelplus für diesen Tag.
Seufzende Grüße von Eva

Mittwoch, 26. Februar 2014

Don´t overthink

Liebe Mathilda,

ganz kurz: Ich gehe mit ihm in den OP. Morgen früh um 8 Uhr!
Wenn ich das jetzt nicht tue, überlege ich es mir weitere 15 Jahre. Und er ist derjenige, bei dem ich mir das zutraue. Also "Don´t overthink - think smart."

Liebe Grüße von Eva.

Montag, 24. Februar 2014

Sex zum Mittagessen

Liebe Mathilda,
hab ich Dich mit der Überschrift ein bisschen erschreckt? :-
Ich war heute schon wieder Mittagessen mit ihm. Allein!
Ich gebe zu, dass ich drauf gelauert habe als ich mich gegen 13 Uhr mit unserer Stationsschwester in ihrem Zimmer unterhielt. Ich wusste, dass Flo bald mit seiner Sprechstunde fertig sein musste. Bald darauf stand er in der Tür. Ich drehe mich um und sehe ihn an. Er sieht mich an. Er kommt nicht herein, will unser Gespräch nicht stören oder was auch immer. Wir sehen uns ca. 5 Sekunden an - keiner sagt was. 5 Sekunden können lang sein. Dann fragen wir fast gleichzeitig "Mittag?" Sehr cool, schon wieder eine Verabredung mit ihm. Er will nur noch sein Geld holen, so dass er vorschlägt, dass wir uns draußen auf dem Hof treffen. Und entschwindet. Als wir uns 2 Minuten später wieder treffen, genieße ich es total mit ihm zusammen zur Kantine zu gehen. Die Sonne scheint und er sieht heute sehr gepflegt aus. War er über Nacht auf ner Beautyfarm? Ist frisch rasiert, schnuppert gut. Eine Haarsträhne liegt wie die andere. Ich kann mich auch sehen lassen. Zusammen geben wir wohl ein schönes Bild ab. Als wir um eine Ecke biegen, drängt er mich fast ab, weil er die Kurve schneidet. Wiedermal eine schöne Rempelsituation. Hach! Ich kann gar nicht mehr sagen, was wir so geredet haben. Wir haben jedenfalls geredet. Angeregt. Mein Chef hatte mich gebeten, den diesjährigen Staffellauf mit zu organisieren und ich frage Flo, ob er mitläuft.
Flo: "Hmmm, ich habe seit einem Dreivierteljahr Konzertkarten und kann nicht."
Eva: "Och, das ist aber schade."
Flo: "Ja, finde ich auch."
Wir frotzeln ein bisschen darüber herum und er versucht mich aufzumuntern. Kann er offensichtlich schlecht aushalten, wenn ich enttäuscht bin.
Eva: "Du kannst ja als Erster laufen..." sage ich grinsend
Flo: "Ja, genau ... und dann verschwitzt ins Konzert gehen."
Eva: "Ja, genau." (Flirtfaktor Warp 10)
Flo: "Nee, das finde ich nicht so sexy." Nanu, wo kommt denn schon wieder dieses Sex-Thema her? Wer hat verlangt, dass er dabei sexy sein muss? Er will das offensichtlich sein. Ist ihm gelungen.
Flo: "Wenn ich anschließend in die Sauna gehen würde ... aber so." Jaaaa, liebend gern. Lass uns danach in die Sauna gehen!!!
Ach Florian, Du bist ja echt ein gemeingefährlicher Charmebolzen. Das gemeinsame Mittagessen könnte echt zur Regelmäßigkeit werden. Mir fällt auf - und das ist ein total objektiver Eindruck - dass er offensichtlich gerne mit mir Mittag isst (eine tiefgreifende Erkenntnis nach fast 2 Jahren). Ich frage ihn noch über sein Wochenende aus. Er ist mit der Renovierung seines Hauses beschäftigt. In 2 1/2 Wochen ist der Umzug. Es wird dramatisch. Und er riecht wieder so gut.
So und nun noch einen schönen Abend,
liebe Grüße von Eva

Sonntag, 23. Februar 2014

Der Sonntagabend-Ermutigungspost: If everybody likes what you are doing...

Liebe Mathilda,

ich bin ja selbst so eine harmoniesüchtige Expertin. Was ich bei Flo beobachte, hält mir ebenso den Spiegel vor wie es mich ihn noch besser verstehen lässt. Ich erwähnte das wohl schon einmal: Er ist ich bevor er mir passierte.

Es allen recht machen wollen ... was steckt dahinter? Wenn ich es allen recht mache (wenn ich das wirklich schaffe, dass alle das, was ich tue, mögen - und allein das ist schon eine unrealistische Annahme), verleugne ich mich selbst.




Liebste Grüße,
Eva

Freitag, 21. Februar 2014

Florian der Flaschenöffner

Liebe Mathilda,
wie geht es Dir? 
Flo und ich wachsen immer mehr zu guten Kollegen heran - leider nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es fällt mir leichter, das Ganze ohne "hypomane Abwehr" (ein Begriff von einer Kollegin, der mich ja so richtig aufgeregt hat; ich würde sagen "dieses geile Gefühl, wenn du verliebt bist") einzuordnen. Und mittlerweile weiß ich ja ganz gut wie er tickt (Welcher Arzt ist schon je so ausführlich von einer Therapeutin begutachtet worden?), so dass seine Art auch einfach langweilig wird. Beispiel Fallkonferenz: Flo hält Hof und berichtet die Krankheitsgeschichten von ca. 15 Patienten. Die anwesenden Ärztinnen, und es sind wirklich ausschließlich Ärztinnen und eine Therapeutin, hängen an seinen Lippen. Sei es die junge Hämatologin, die gestandene Onkologin, die flippige Radiologin mit den großen Brüsten oder die ältliche Pathologin. Und die ruhige Therapeutin natürlich. Er macht das schon gut. Es wirkt wenig mechanisch und er schafft es, aus den Aktenbefunden die Menschen zu beschreiben. Das wäre ein Kompliment, das er sicher gerne hören würde. Wer nicht? Jedenfalls geht alles sehr harmonisch zu und ich kann mir vorstellen, was sich hinter den verträumten Blicken der einen oder der anderen Frau versteckt. Er schafft es, der Hämatologin lächelnd eine Information über blutverdünnende Medikamente zu entlocken. Naja, so versprüht er seinen Charme, was ich durchaus gefährlich finde, wenn es jemand so ernst nimmt wie ich. Ich bin dadurch in meinem Leben ganz schön ins Schlingern geraten. Schon irgendwie sehr kurzsichtig von ihm. Bei der Fallkonferenz gibt es zwar Getränke, aber keinen Flaschenöffner. Flo beginnt geschickt, mit einer zweiten Flasche eine andere zu öffnen. So wie Männer das eben tun. Ich denke: endlich mal was Männliches an ihm und lasse mir eine Flasche von ihm öffnen. Hinter mir bildet sich bald eine Schlange von Frauen, die ebenfalls trinken wollen. Wie auch immer, ich war schneller und zuerst da. Und ich kenne das alles schon. Und dann springt er tatsächlich während der Konferenz immer mal wieder auf, um dieser oder jener Frau die Flasche zu öffnen. Flo, der Flaschenöffner! Naja, das passiert zu einem Zeitpunkt, wo ich mich bereits gut zurückgelehnt habe und sein Treiben beobachte. Ist schon ein bisschen pathologisch, es allen recht machen zu wollen. Am Ende sagt er, dass er jetzt zu einer bestimmten Fortbildung fährt und fragt, ob er jemanden mitnehmen kann. Die flippige Radiologin erklärt sich freudestrahlend bereit. Und ich denke nur: Sie wird die nächste sein.

You need a strong man to open your drinks for you... he is only a reach away! Cheeky gift for  a man that thinks he is super strong

Mittwoch, 19. Februar 2014

Bald olympisch: Neue Sportart Provokationsflirten

Liebe Mathilda,
hier geht ganz schön was ab. Flo stand heute frisch und fröhlich (Haare waren jetzt auch gewaschen) in meiner Tür und hat mich zum Mittagessen abgeholt. Ich war auch noch kurz bei ihm und hab mich ganz nah an ihn rangestellt. Oh Gott, oh Gott! Allein zu zweit machten wir uns auf den Weg zum Essen - bis eine Assistenzärztin dazukam. Dieser ganze Kontakt verwirrt mich ganz schön. Angeregte Unterhaltungen, die nicht durch harmonisches Geplänkel gekennzeichnet sind, sondern die nötige Spannung vorhalten. Z.B. erzähle ich ihm von einer Klientin, die vor ein paar Jahren eine schwere depressive Episode hatte und nun ernsthaft körperlich erkrankt ist. Er meint darauf, dass man ihr doch ein Antidepressivum geben könnte (typisch Arzt!). Ich darauf, dass ich ihre Reaktionen aber ganz nachvollziehbar finde und sie auch nicht wie damals Anzeichen von Suizidalität zeigt. Er darauf, dass es ja noch etwas zwischen Suizidalität und adäquat gibt. Und dann gehe ich auf die Metaebene und frage ihn, was da bei ihm los ist, dass er darauf (will Patientinnen ständig Antidepressiva verordnen) so anspringt. Er meint so sinngemäß, dass es doch spannend wäre, die Gegenposition einzunehmen. Mal zusammengefasst: Er sucht Kontakt zu mir und will sich mit mir reiben! Aufregend ist das allemal, und es ist auch nicht wirklich zum Ärgern (oder sollte ich mich mal richtig über ihn ärgern?), sondern eher so auf einer provokant-flirtenden Ebene. Am Mittagstisch erzählt er mir von "Django", den er kürzlich gesehen habe. Typisch blutrünstiger Tarrantino. Irgendwie steht er schon auf die blutigen Beschreibungen, die er da von sich gibt. Irgendwann finde ich das nur noch lächerlich und sage zu ihm "Dann sollte ich mir Django wohl ansehen bevor ich mit dir in den OP gehe." *lach*
Wat hat der Flo bloß vor?
Und ja, wahrscheinlich ... bestimmt muss ich dir Recht geben, dass Entwöhnung von Flo im OP nicht funktioniert. Aber ich tue das ja alles aus meinem freien Willen heraus.
Liebe Grüße von Eva.

Montag, 17. Februar 2014

Versuchungen an jeder Ecke



Liebe Mathilda,

was mir nach diesem WoEn klar ist: Ent-wicklung beibt bei den ganzen Ver-wicklungen nicht aus. Das ist beruhigend und hat so etwas von: Alles ist im Fluss. Und die Versuchung hat kein Ende...





An meinem vergangenen "Flo(w)freitag" habe ich mich abends mit Betty getroffen. Ursprünglich war angedacht, dass wir uns gepflegt die Kante geben. Allerdings hatten wir noch einen Vortrag für heute (bereits geschehen und gut gelaufen) vorzubereiten, so dass wir es uns im "Anna Blume" mit einer Flasche Prosecco gemütlich machten und tagten. Thema waren die Basics unserer täglichen Arbeit. Das Publikum: die Ärzte und Ärztinnen der Klinik. Wir hielten dieses Thema für sehr notwendig, um die Schnittstellen zwischen den Therapeuten und den Ärzten zusammenzuführen und einfach zu sagen wie wirs haben wollen und wie nicht. Natürlich auf die gewohnte berührende und humorvolle Art und Weise. Mein Chef fragte mich danach, wie ich es immer schaffen würde, die Aufmerksamkeit der Leute mit einem einzigen Bild oder einer einzigen Aussage zu catchen. Schönes Kompliment. Florian sah heute morgen erschöpft aus, mit strähnig zurückgegeelten Haaren (war wohl keine Zeit zum Waschen?). Er sprach mich nach dem Vortrag an, ob und wann es bei ihm mal medizinischen Aufklärungsbedarf bei Patienten gegeben hat, den wir als Therapeuten hätten nachbereiten müssen, um dann vorwegzunehmen, dass ich das in 1 1/2 Jahren nicht an ihn herangetragen hätte (Flo, wenn Du wüsstest, was ich in 1 1/2 Jahren alles nicht an Dich herangetragen habe) Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in dem Vortrag besonders auf diesen Punkt eingegangen sind. Unser Augenmerk lag mehr auf so Themen wie: Wie finden die Patienten zu uns? Wie stellen wir uns die interdisziplinäre Zusammenarbeit vor? Wie werden wir in der Visite vorgestellt. Um das zu karrikieren, brachten wir ein paar (natürlich anonyme) Aussprüche aus den letzten Wochen wie wir als Therapeuten tatsächlich vor den Patienten vorgestellt wurden:

"Für sowas haben wir hier die Frau Cormann."
"Da kann ich sie beruhigen. Die Frau Faber ist eine ganz Nette."
"Das ist Frau Cormann. Sie geht hier zu allen unseren Patienten. Und das ist Frau [Assistenzärztin]. Die kümmert sich um alles, was wichtig ist."

Nun ja, kann sein, dass sich Flo in der letzten Aussage wiedergefunden hat, die er tatsächlich so getätigt hat. Ich habe mich auch echt drüber geärgert und wollte ihm das persönlich stecken, aber es passte so gut in den Vortrag. Ganz klar, er versuchte sich in seiner anschließenden Frage um seine Aufklärungspflichten zu rechtfertigen und kam mir ein bischen angepisst vor. Wie auch immer, das schien nicht an mir zu liegen (ich bin mittlerweile echt gut darin geworden, seine negativen Reaktionen nicht auf mich zu beziehen), sondern sein Thema zu sein und bestätigt seine Unsicherheit. Er wurde dann auch gleich zugänglich als er und ich und Betty im Anschluss an den Vortrag noch darüber sprachen. Er fragte nun - ehrlich interessiert - ob und wo wir denn Bedarf an medizinischen Informationen hätten. Betty wie aus der Pistole geschossen: "Was ist ein Platzbauch?", weil das Thema in der vorangegangenen Übergabe war. Flo fühlt sich ge"bauch"pinselt und in seinem Narzissmus bedient, weil wir an seinen Lippen hängen. Er erklärt den Platzbauch und beschreibt genüßlich die Struktur der Bauchmuskeln, "die bei Männern so schön aussehen." und malt dazu das Waschbrett auf seinen Kittel. Ich frage mich, was ist wohl darunter? Ist hier schon wieder Dorian Gray unterwegs? Und er schränkt ein "bei manchen Männern". Mir fällt dazu nur ein: "Bei unseren Männern natürlich" schaue Betty an und denke stolz an Tinos Waschbrett. Das ist wieder eine kleiner Augenblick, in dem sich die erotische Spannung nicht verleugnen lässt. Als er mit seiner Bauchmuskelorgie fertig ist, erwähne ich die Patientin, die sich fragte woher ihr Wundwasser käme. Und dann kommen wir auf den OP zu sprechen und dass das für uns Therapeuten bisher ein großes Mysterium ist. Ich habe Florian irgendwann mal erzählt, dass ich den OP bisher immer vermieden habe, da ich mit 19 Jahren beim Anblick einer großen Wunde mal ohnmächtig geworden bin. Ich sage "Vielleicht traue ich mich jetzt auch mal in den OP." sage ich. Und das ist offensichtlich dass, was man bei Flo bedienen muss: Interesse und Bewunderung für seine "großartige" Arbeit. Er steigt sofort drauf ein. Ich denke, dass ich sein Angebot annehmen werde. Dabei schlage ich 2 Fliegen mit einer Klappe: Ich setze mich mit meiner Angst vor großen Wunden auseinander und ich gewöhne mich an Flos Nähe, wenn wir da zusammen im Op stehen. Das sagt die Verhaltenstherapeutin zum möglichen Blutdruckverhalten: Der herkömmliche Blutdruckabfall bei Blut-Spritzen-Verletzungsphobie sollte sich mit dem Blutdruckanstieg bei Verliebten ausgleichen. Und sollte ich trotzdem umfallen, kann ich darin meine romantischen Retterfantasien ausleben. Wobei Betty ganz trocken meint, dass er mich fallen und liegen lassen würde, denn schließlich hat er eine "großartige" Arbeit zu tun. Naja, vielleicht wäre aber auch das heilsam. We will see.
Bei anschließenden Kaffeetrinken, zu dem Flo noch kurz dazukommt, zeigt sich nochmal, dass er wohl kein schönes Wochenende gehabt hat. Es geht um die Fastenzeit und wovon man den so fasten, sprich abstinent sein könnte. Und Flo meint nur so im Herausgehen "Man(n?) kann von allem fasten." Das wirkt schon sehr verzweifelt, so dass ich ihn fast nehmen und schütteln möchte "Nein, kann man(n) nicht." Aber ich lasse ihn ziehen und denke, das muss er selbst herausfinden. So fühlte ich mich ganz stark und mutig. Bis er mir auf dem Flur einen merkwürdig innigen, keinesfalls fröhlichen Blick zuwirft. Manchmal kriege ich Paranoia und vermute, dass er meinen Blog lesen könnte. Dann packt mich wieder die Verzweiflung: Was, wenn er gar niemals auf den Blog aufmerksam wird? Ist es das? Möchte ich, dass er das liest? Dass er mitbekommt, was er mir mit all dem in meinem Leben durcheinandergebracht hat? "2 Seelen wohnen in meiner Brust..." Manchmal bin ich echt verwirrt über seine Reaktionen. UND WAHRSCHEINLICH MACHT ER SICH NICHT DEN BRUCHTEIL DER GEDANKEN DARÜBER; DIE ICH MIR MACHE. Ich bin noch ganz in diese Gedanken versunken als ich ins andere Gebäude gehe und beherzt die Tür aufreiße, hinter der er steht und heraus will. Konfrontation an allen Ecken und Enden. Wie soll ich da nur arbeiten? Ich kriege einen merklichen Schreck und will ihm eigentlich in die Arme stürzen. Er registriert, dass er mich erschreckt hat, lässt mich durch die Tür treten und fängt an zu lächeln... Ein Lächeln, dass ich erwidere und dass mich in meiner Entwöhnung von Flo nicht weiterbringt. Die Versuchung lauert an jeder Ecke.


"Temptation
You can take it or leave it
Temptation
But you'd better believe it"
Heaven 17 - Temptation


Liebste Grüße an Dich,
Eva

Sonntag, 16. Februar 2014

Der Sonntagabend-Ermutigungspost: Die ewige Wiederkehr

Liebe Mathilda,

irgendwie ist die Situation schon ziemlich ähnlich zu meinem Blogbeitrag "Batman oder Joker?" - 15.02.2013 von vor einem Jahr: Selbe Kantine, selbe Konstellation, selbe Intensität, selbes Weichei von Mann. Vielleicht hast du recht, dass sich alles wiederholt.





Es beibt spannend, was sich nächste Woche wiederholt.

Viele Grüße,
Eva

Freitag, 14. Februar 2014

Sexuelle Spannung an jeder Ecke


Liebe Mathilda,

hier eine Zusammenfassung meiner vergangenen Arbeitswoche. Ich fürchtete schon, dass es nach meinen Einsichten kaum noch etwas zu berichten geben würde. Und dann kam heute!

Montag: Flo´s unspektakulärer Besuch bei mir zum Absprechen der "Mini"-Fortbildung.


Dienstag: Hab ihn nur kurz gesehen. Und die "Mini"-Fortbildung wurde von der leitenden Schwester verschoben. Betty teilt mir ihre Fasten-Pläne (keine Schokolade in der Fastenzeit) mit und ich überlege, wovon ich fasten könnte. Mir fällt Flo ein, worauf sie sofort sagt, dass das nicht gehe und aussichtslos ist. Welche Strategie verfolgt sie bei mir? Daraufhin zeige ihr ihr deinen Spruch:

"Sometimes
you just have to
erase the messages,
delete the numbers,
and move on.
You don´t have to
forget who that
person was to you:
you just have to
accept that they
aren´t that person
anymore."

Und Betty meint ketzerisch, dass da nur "Lobotomie" helfe.


Mittwoch: Hab ihn noch kürzer gesehen.


Donnerstag: Gewohnt lange Visite und ausgedehnter Kontakt wegen einer Klientin, die es uns beiden angetan hat.


Freitag: Zwischen uns beiden geht es weiter um die besagte Klientin, die ich wohl in ambulante Behandlung zu mir holen werde. Er meint, ihm kämen die Tränen, wenn er sie sehen würde, so berührt sei er von ihr. Was ist da los? Ich habe keine Zeit, mich das eingehender zu fragen, denn Barbara ist plötzlich erkrankt und ich muss hier für 3 arbeiten. Nach einem Vormittag im Flow klopfe ich kurzerhand an seine Zimmertür und frage ihn, ob er mit mir Mittagessen geht. Er telefoniert gerade und gibt mir ein Zeichen, dass er gerne mitkommt und mich gleich aus meinem Zimmer abholt, was er 90 Sekunden später tut. Wir gehen zu zwei alleine Mittagessen. Kein Assistenzärzte. Keine Therapeutenkollegen. Kann mich nicht erinnern, wann das mal passiert ist. Es wird sofort locker und persönlich. Ich hatte vorher versucht, mich mit einer Assistenzärztin zum Essen zu verabreden, da ich sie am Anfang der Woche vergessen hatte. Flo greift das Thema auf und fragte echt flirtend, ob ich denn nun genug gebüßt hätte. Ich befinde "Ja" und er weitet das Thema aus. Die meisten Beziehungen würden nur mit solchen Leistungen und Wiedergutmachungen funktionieren. Und manchmal müsse man in Vorleistung gehen. Ich stimme ihm zu und dass Erwartungen da eine große Rolle spielen. Mir kommt mein Blog in den Sinn und wie ich mich dort mit dem Thema auseinandersetzte, dass ich an ihn möglichst gar keine Erwartungen stellen wollte und ihm das dann ja auch so gesagt hatte. Und dann sagt er doch tatsächlich, dass das beim Sex ja noch viel ausgeprägter sei mit den Erwartungen und Vorleistungen. Meine Güte, was ist da los bei ihm im Bett? Und er grinst mich so von der Seite an. Ganz klar, der will mich provozieren, anflirten, herauslocken. Ich frage ihn ebenso flirtend, was denn bei ihm im Bett so los sei. Darauf antwortet er nicht mehr wörtlich sondern nur mit einem Grinsen, denn wir sind in der Kantine angekommen. Essen als Sex des Alters? Ich bin schon völlig durch (mein armes geschütteltes Frauenherz).und bestelle das selbe Essen wie er. Ich genieße es, dass er sich mit mir in eine ruhige Ecke an einen kleinen Tisch setzt.
Am Tisch sitzend steigen wir wieder bei besagter Klientin ins Gespräch ein, die uns beide beschäftigt. Ich frage ihn, ob er denn irgendetwas wie Supervision oder Balintgruppe machen würde, um seine Belastungen loszuwerden. Da rückt er ein Stück näher an mich heran, wirft mir einen unglaublichen Blick aus seinen braunen Augen zu und sagt ironisch "Ich bin ein harter Typ. Ich brauch so was nicht." Und ich darauf ebenso ironisch "Ja, klar. Das glaub ich Dir sofort." Und dann sagt er eher ernst, dass er über so etwas ja viel mit den anderen Ärzten und vor allem mit seiner Frau sprechen würde. Ich hätte ihm so schön anbieten können, dass er auch mit mir darüber sprechen könnte, aber das fällt mir in der Situation nicht ein. Und außerdem meine ich das ja nicht aufs Reden beschränkt, sondern eher so emotional-körperlich-zwischenmenschlicher Austausch. Stattdessen stelle ich eine Frage zu seiner Frau (was sie denn nun genau beruflich macht), um das ganze Ehefrauenthema mal ein bisschen zu entkrampfen. Ich kann es nicht lassen und sage, dass ich zu Hause schon ganz gerne mal über andere Themen als Krankheit spreche. Und er kommt mir philosophisch entgegen "Wo fängt Krankheit an, wo hört sie auf?" Und dass es ihm ja nicht um Krankheit und Gesundheit gehen würde, sondern um das spannende Zwischenmenschliche. Okay, da sind wir uns wieder einig. Ich kann mir nicht helfen, dass schon ein gewisses Prickeln in der Luft liegt. Wie vermutet: Ich trete einen Schritt zurück und er kommt einen auf mich zu. Wobei, wenn er das so beschreibt, wie tiefgründig und ständig er mit seiner Frau spricht, hört sich das echt anstrengend an. Will ich so etwas überhaupt?
Dann grüßt er verschiedene Leute, die sich an die anderen Tische zum Essen setzen. Unter anderem fällt ihm ein Jüngling (wahrscheinlich ein Auszubildender) auf, über den er irgendetwas sagt. Der jüngste, den er jemals hier gesehen hat oder so. Ich setze wichtigtuerisch meine Brille wieder auf, um den Jüngling zu erkennen. Die Brille hatte ich abgelegt, weil mich der Rahmen so beim Unterhalten, beim Angucken störte. Das, was ich bereit war, vor ihm auszuziehen! Ich schaue durch meine Brille den Jüngling an und Flo gibt eine Spekulation über meine Gedanken ab: "Was du darüber denken könntest, wenn ich auf diesen Jüngling aufmerksam werde". Ja, was hätte er denn gerne, dass ich denke? Will er mir sagen, dass er im Grunde schwul oder gar pädophil ist? Unser Gespräch durchkreuzt ständig irgendwelche sexuellen Teilbereiche und das geht von ihm aus. Will er mich testen, herauslocken, provozieren? Ich sage ihm halbwegs schlagfertig "Das hast Du jetzt gedacht." und grinse. Flo kommt dann auf die Geschichte von Dorian Gray zu sprechen. Sagt Dir das was? Wikipedia sagt folgendes:

"Oscar Wilde´s Hauptfigur, der reiche und schöne Dorian Gray (= Flo???), besitzt ein Porträt, das statt seiner altert und in das sich die Spuren seiner Sünden einschreiben. Während Gray immer maßloser und grausamer wird, bleibt sein Äußeres dennoch jung und makellos schön. Der seinerzeit als anrüchig geltende Roman war auch Gegenstand des Unzuchtprozesses gegen Wilde. Themen sind die Moralität von Sinnlichkeit und Hedonismus im Viktorianismus, die Dekadenz der englischen Oberschicht und der Ästhetizismus. Die Handlung sowie die eingearbeiteten Kunstbemerkungen lassen sich als Proklamation des Ästhetizismus lesen, doch ebenso als dessen Kritik."

Flo sprach von einer schwulen Beziehung zwischen Dorian und dem Jüngling, der wie ich jetzt nachgeselesen habe, der Maler des Gemäldes ist. Am Ende meuchelt Dorian erst den Jüngling und dann das Gemälde und damit sich selbst. Da tun sich ja Abgründe auf und recht lockere Assoziationen beim Florian. Will er mir tatsächlich sagen, dass er schwul ist? Ihm war nur noch in Erinnerung, dass es mit den beiden Figuren kein gutes Ende nimmt. Es sei immerhin 20 Jahre her, seit er das in der Schule gelesen habe. Und ein Problem mit dem Altern hat er meiner Meinung nach auch. Ich sage ihm, dass ich in der Schule andere Sachen gelesen habe. Und ihm fällt ein, dass ich ja in dem anderen System aufgewachsen bin. Jetzt sprechen wir etwas über mich und meine "Laufbahn". Über Lehrer, die sich nicht ändern und 40 Jahre den gleichen Lehrplan lehren. Er meint selbstkritisch, dass er ja auch immer das selbe tun würde. Ich darauf, dass er (und sein Handwerkszeug) sich ja weiterentwickeln können. Alles andere wäre langweilig. Das ist die Stelle, an der ich ihm Deinen Herzlinien-Avatar zeige: "If there are no ups and downs in your life, it means you are dead." Er versteht. Ich verstehe heute auch sehr viel. Würde ich mich leichter von ihm lösen können, wenn er schwul wäre? Und ist das sein Ansinnen? Und warum redet er mit mir übere Sex?

Huch, das war aber mal ein echt aufregendes Ende für eine Arbeitswoche.

Liebe Grüße von Eva.