Freitag, 30. Mai 2014

Vorhersehbare Delikatessen

Liebe Mathilda,

nun, dass ist ja sehr doof, dass Dich am tollsten Meer eine Erkältung einholt. Ich wünsch Dir gute Besserung. Die Meeresluft ist total gut zum Inhalieren.

Ich bin auf der Arbeit. Flo gab heute eine verspätete Urlaubslage und das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Ich sehe ihn wie er das Klinikgelände betritt. Ich sehe ihn von hinten und wünsche mir aus unendlichem Optimismus heraus, dass der Bart ab ist. Es ist die Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit, in der alles leicht war bis ich merkte, dass das alles auch Probleme birgt. Es - der Traum von der Bartlosigkeit - bleibt wie so vieles ein Wunsch, denn als ich ihn dann begrüße als er an meinem geöffneten Fenster vorbeigeht, sehe ich den undichten Flaum. Nicht direkt dass einem alles vergeht, aber ohne wäre schöner. In der anschließenden Besprechung sehe ich ihn mir an und finde sein Gesicht etwas aufgegunsen, wenn auch schön gebräunt. Man hat sich ein paar Tage Kurzurlaub in Südfrankreich gegönnt. Nur die Augen sind die selben. Und die suchen Kontakt zu mir. Versuchen mir ein kleines Lächeln zu entlocken. Die Stimmung ist locker und amüsant und irgendwie fühle ich mich mehr als ebenbürtig. Ich verkneife mir den ausgiebigen Augenflirt, den er mir anbietet, will ihn etwas zappeln lassen. Später in einer kleineren Besprechungsrunde macht er den Vorschlag (es geht um Umgestaltung von Räumen), ein Bild an der Decke anzubringen damit die Klienten bei der körperlichen Untersuchung nicht ins Leere schauen müssen. Ich sage spontan "Das finde ich richtig gut." Nicht, dass Flo die Idee erfunden hat, aber mein Zahnarzt hat so etwas auch und es ist wirklich super, wenn da irgendetwas ist, was man (außer dem vermummten Zahnarzt und dieser grellen Leuchte) angucken kann und was schön ist. Flo fühlt sich bestärkt und baut seine Idee aus. Ich sage, das ein Bild gut wäre, wo die Klienten länger was zu gucken haben und dass man nicht gleich auf den ersten Blick erfasst. Flo fragt amüsiert "Wo ist Walter?" Ich muss lachen. Ich habe den Eindruck, dass den Witz nur Leute mit kleinen Kindern verstehen, so dass wir über was Gemeinsames lachen können. "Wo ist Walter" sind so total detailüberschwemmte Zeichnungen, in denen man Walter (mit dem gestreiften roten Pulli und der Mütze) finden muss. Ich gebe amüsiert zurück "Ja, vielleicht gibt es ja eine Erwachsenenversion." Parallel dazu muss ich an Deine Erkenntnis von neulich denken, dass man mit jedem Menschen eine Gemeinsamkeit findet. Und sei es, dass beide Unterwäsche tragen. Die meisten zumindest.
Später sitze ich mit einer Tasse Kaffee im Aufenthaltsraum als eine Schwester Flo´s gerade angekommene Urlaubskarte auf den Tisch legt. Südfrankreich! Na, da les ich doch gleich mal. Im gleichen Moment kommt Flo leibhaftig rein und packt eine Tüte voll französischem Gebäck auf den Tisch. Ich muss in mich hineingrinsen, weil es so vorhersehbar ist (man lese nur den Blog über seine Rückkehr nach dem Urlaub aus dem letzten Jahr). Ich bemerke natürlich, dass er da ist, lese aber provokativ die Urlaubskarte weiter laut vor. Ich habe tolle Rezitationsfähigkeiten. Er erkennt das, wohnt meiner Vorstellung bei und ... grinst. In Gedanken überfliege ich die Worte und urteile: ungewöhnlich korrekt geschrieben und ohne Rechtschreibfehler. Entweder er hatte gaaaaaanz viel Zeit oder er hat seine Frau oder seinen Sohn schreiben lassen. Er schreibt von "Brot und Wein" und allerlei anderen Delikatessen. Ich kontrolliere, ob er das auch alles in seiner mitgebrachten Tüte drin hat. Der Wein fehlt. Es ist Flirtstimmung. Und er steigt darauf ein. Grinst mich amüsiert an und macht diese komische Grimasse mit seiner Zunge, die er nur macht, wenn er richtig flirtet. Schwer zu erklären - muss man einfach erleben. Leider kommt es anschließend nicht zur gegenseitigen Fütteraktion aus seiner Tüte, denn wir sind beide bis über den Kopf zu mit Arbeit. Und das ist auch gut so.

So, das wars dann für diese Woche.

Liebe Grüße von Eva

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